Fliekus trifft die Augen der Katze.

Fliekus hielt das Blatt Papier fest mit beiden Händen,  „Klinische Auswirkungen der sogenannten Arthus Reaktion. Negative Einflüsse bei Menschen sind bislang unerforscht geblieben.“  Kalter Regen hatte den Hauch von Zersetzung über die restlichen Buchstaben gebreitet.  Er lehnte sich an die kalte Steinwand und sein Kopf berührte die Rundung der Brückenkonstruktion über ihm. Fliekus blinzelte nervös in die versteckte Sonne.

„Es geht um den Vergleich mit menschlichen Überreaktionen bei wiederholtem ausgesetzt sein mit negativen Einflüssen.“ Er hatte seinem Chemie Professor diese Satz ins Gesicht geschrien.  „Obwohl wir das Gute in uns tragen, reagieren wir auf das Böse oft vielleicht allergisch und verfallen in zerstörerisches Verhalten. Genau wie bei der Arthus Reaktion der Haut, wo bei wiederholtem Spritzen der Antigene, die plötzlichen Schwellungen und Entzündungen nach achtundvierzig Stunden wieder verschwinden, so vergessen wir unsere Schuld. Ausgelöscht ist sie aber niemals?“ Er wusste, dass er  gut beraten wäre, wenn er nicht immer gleich wutentbrannte.  Sein Entsetzen war nicht der Impuls, den er sich für sein weiteres Leben wünschte. Könnte er doch nur eine Nacht darüber schlafen.

„Die Arthus-Reaktion, die auch Arthus-Phänomen genannt wird, ist eine lokale Überempfindlichkeitsreaktion oder Reaktion vom Arthus-Typ, gleich einer Allergie. Benannt ist das Phänomen, dass nach erneuter Injektion des betreffenden Antigens, schwere entzündliche Reaktionen in der Nähe der Einstichstelle auftreten.“ Auf der Rückseite des letzen Blattes konnte er die handschriftliche Notiz, eine Kinderhandschrift, gut lesen. Eine Kinderhandschrift?

„Als Reaktion liegt eine Immun Antwort gegen lösliche Antigene zu Grunde. Dabei werden Antikörper gebildet. Wird das betreffende Antigen nach erfolgter Immunantwort beziehungsweise Sensibilisierung erneut subkutan gespritzt, so können die gebildeten Antikörper in das Gewebe hineindiffundieren und an das lokal verabreichte Antigen binden.“  Weil nur wenig Antigen subkutan gespritzt wird, kommt es auch nur zur lokalen Bildung von Immun Reaktionen, klar. Fliekus war müde, unendlich müde. Aber wieder würde er nicht einschlafen. Er rutschte an der Wand in die Hocke und versuchte gleichmäßig zu atmen.  „Es wird eine lokale Entzündungsreaktion ausgelöst, die sich in einer erhöhten Quaddelbildung zeigt. Das Maximum dieser Reaktion ist nach drei bis acht Stunden erreicht, nach achtundvierzig Stunden ist sie wieder verschwunden.“

Fliekus wusste, der  Mensch ist das gefährlichste und grausamste Tier auf Erden. Eine Bestie, welches klinische Versuche an anderen Lebewesen durchführt. Für die eigene Spezies aber gegen die Natur. Fliekus musste sich erbrechen. Als er den Kopf hob, sah er zum ersten Mal die Augen, die sein Leben verändern würden. Pelziger Blutklumpen, blaues Licht in einem kleinen Löwengesicht, wie aus einem Guss in die Ungerechtigkeit vergangener Zeiten gemeisselt. „Es gibt keine Hölle. Es gibt nur mich.“

Und diese Katze.

Autor: Markus ist Majolo

Ich bin ein Schauspieler. Neben dieser Tätigkeit widme ich mich verstärkt dem Schreiben von Geschichten für Kinder. In meinen biographischen Erzählungen, die im Frühjahr 2013 erschienen sind, bin ich mir selbst auf vollkommen andere Art begegnet. Ich bin ein pausbackiger Mensch. Über die Jahre reife ich zu einem wahren Wonneproppen, der eine große Euphorie und Harmonie in seiner Mitte trägt. Die Harmonie gefällt meiner Seele. Um sie zu beschützen, riskiere und opfere ich viel. Die Euphorie nährt mein Ego, und das bereitet mir auf Dauer eher Schwierigkeiten. Die Kraft, die in mir entsteht, ist ein Geschenk und ein Fluch zugleich. Sie treibt mich zu Höchstleistungen an. Da ich als junger Mensch nicht weiß, dass die Harmonie, die ich beschützen will, Gottes Gesetz unterworfen ist, leidet meine Seele. Sobald ich außen auf Widerstand stoße, bläst sich mein Ego auf. Es wird ein großer Ballon mit einer dünnen Haut. Und meine Seele schrumpft, je größer mein Ego wird. Wenn der Ballon endlich zerplatzt, liegt meine Seele am Boden, und die Harmonie ist beschädigt. Ich habe im Lauf der Jahre gelernt, meine Euphorie ein wenig zu dämpfen. Meine innere Harmonie bleibt mein Antrieb. Nur hat dieser ein neues Ziel: Nicht für mein Ego strebe ich nach Höchstleistungen, sondern für eine höhere Macht, die meine Seele nährt. Etwas, das größer ist als ich selbst. Wenn mal etwas schief läuft, braucht mein Ego sich nicht gekränkt zu fühlen. Es ist nicht betroffen. Als ich sehr spät in meinem Leben erkenne, dass nur Gott diese höhere Macht für mich sein kann, wird meine Harmonie trotz aller Rückschläge zu etwas Unzerstörbaren in meiner Mitte. Perfekt wird mein Leben dadurch allerdings nicht.

Ein Gedanke zu „Fliekus trifft die Augen der Katze.“

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: